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15.09.2016

Wahlkampfroman 2016. „So wird das Leben.“ 7. Folge.

Wahlkampfroman 2016.

So wird das Leben.

Siebente Folge.1

Vroni lief von der Wohnungstür ins Wohnzimmer davon. Sie mußte aber dann doch wieder ins Vorzimmer zurück. Ihr handy lag auf der Ablage gleich neben der Wohnungstür. Sie hatte es mit den Schlüsseln da abgelegt. Vroni nahm das handy und schlich ins Wohnzimmer. Sie hatte pötzlich panische Angst davor, der Mann vor der Tür draußen könne sie auch nur irgendwie hören.

Der Mann klingelte wieder. Vroni rief Mia an. Sie hatte die Wohnzimmertür geschlossen, aber sie konnte trotzdem nicht laut reden, und Mia mußte immer wieder fragen, was sie sagen hatte wollen. Als Vroni dann endlich flüstern hatte können, daß ein Mann an ihre Wohnungstür hämmerte, kam Mia gleich auf den Stiegenabsatz heraus. Vroni konnte vom Vorzimmer aus hören, wie Mia den Mann fragte, was er denn hier wolle. Mia war mißtrauisch. Dann kam auch Kristi dazu.

Vroni lehnte innen an der Wohnungstür und schaute durch den Spion hinaus. Mia redete auf den Mann ein. Der trat bei jedem Satz einen Schritt zurück. Vroni konnte dann nur noch Kristi durch den Spion sehen. Kristi hatte die Arme vor der Brust gekreuzt und schaute den Mann böse an. Dann trat Mia in das Blickfeld des Spions und hielt Vroni einen Ausweis hin. „Dieser Mann ist wirklich von der Rettung. Du kannst herauskommen.“ „Ja. Wirklich.“ Kristi drängte sich auch in das Blickfeld und schrie, Vroni könne herauskommen. Es gäbe keine Gefahr.

Vroni zögerte. Sie stand vor der Tür. Sie konnte Mia und Kristi draußen hören. „Überfall.“ verstand sie. „Kann nicht.“ „Schwierigkeiten.“ Vroni stand. Die Worte drangen durch die Tür zu ihr. Sie lösten die Erinnerung an den Augenblick aus. Die Geräusche. Das Stöhnen des alten Manns. Seine Ausrufe. „Das war doch für den Kaindlinger gedacht.“ „Ihr Deppen.“ „Ich bin es doch. Der Maximus.“ Der Augenblick des Schlags. Sie sah wieder zu, wie der Schläger gegen ihre Hand krachte. Wie sie die Hand schützend und stützend um die Schulter des alten Manns gelegt gehabt und die knochige Schulter des alten Manns gefühlt hatte. Sie spürte ihre Hand nicht mehr. Sie hatte die Hand angesehen und nicht erkannt. Die Hand hatte gar nicht mehr zu ihr gehört. Sie hatte eine fremde Hand angesehen. Einen Augenblick hätte Vroni schluchzen mögen oder sich übergeben. Aber die Empörung war dann doch stärker und Vroni drehte am Schnappschloß. Wie konnten sich diese Menschen herausnehmen, so zuzuschlagen.

Vroni steckte den Schlüssel in das oberste Schloß. Sie hatte den Schlüssel in die rechte Hand genommen und hatte gleich wieder Schmerzen. „Scheiße.“ Sie flüsterte „Scheiße“ vor sich hin. Von draußen fragte Mia, ob sie Hilfe brauche. Aber es konnte ihr niemand helfen. Sie stand eingesperrt hinter dieser Wohnungstür, und nur sie konnte sich befreien. Dann hatte sie es aber geschafft und sie schaute auf den Gang hinaus.

Der Mann von der Rettung stand an das Gitter vom Stiegenabsatz gelehnt. Er kam gleich auf sie zu. „Das tut mir wahnsinnig leid,“ sagte er. „Wenn ich gewußt hätte, daß sie gerade eine solche…“ „Sagen Sie nicht Erfahrung.“ sagte Vroni. Der Mann grinste sie an und sagte, „Ich bin der Markus.“ „Und ich bin die Erfahrung.“ sagte Vroni trotzig. Mia nahm sie um die Schultern. Kristi nahm ihr die Schlüssel aus der Hand. „Wir gehen jetzt alle in unsere Wohnung.“ sagte Mia und schob Vroni zur Wohnungstür Fischer hinüber. „Da gibt es nämlich ein blödes Problem.“

Vroni wollte die Wohnungstür selber versperren, aber Kristi hatte das schon erledigt und hielt ihr den Schlüsselbund hin. „Jedes Schloß total zu.“ sagte sie und lächelte. Erst wollte Vroni sagen, daß es keinen Grund gäbe, sich über sie lustig zu machen. Aber dann mußte sie doch grinsen. Kristi wollte helfen und machte sich sicher nicht lustig über sie.

„Ja. Wir haben ein Problem.“ sagte dieser Markus. Vroni saß auf der Couch und Mia und Kristi links und rechts von ihr. Markus hatte sich auf die Fensterbank gesetzt und schaute zum Fenster hinaus. „Das ist wirklich blöd.“ sagte er und wandte sich Vroni zu. „Du bist unsere einzige Zeugin.“ „Zeugin.“ fragte Vroni. „Ja.“ sagte Markus. „Du hast doch gesehen, wie die mit dem Krankensessel in die Wohnung von diesem Mann hinein verschwunden sind.“ Vroni nickte. „Ja. Die haben euch den Chrobath ja richtig aus der Hand gerissen.“ „Richtig. Und ist dir aufgefallen, daß die dann lange in der Wohnung waren?“ Markus war aufgestanden und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen. „War das lange?“ Vroni überlegte. „Ich weiß es eben auch nicht mehr.“ sagte Markus. „Aber es war lange genug, daß die alle Tragegriffe abmontiert haben.“ „Was haben die?“ fragte Kristi. „Ja.“ nickte Markus. „Die haben den Sessel kaputt gemacht. Jedenfalls kann man jetzt mit diesem Sessel niemanden in den dritten Stock transportieren, weil man den Sessel nicht anheben kann. Die haben den Sessel kaputt gemacht und uns so zurückgegeben.“ „Aber das gibt es doch nicht.“ schüttelte Mia den Kopf. „Das ist doch der reine Vandalismus.“ Markus setzte sich wieder auf das Fensterbrett. Er nickte. „Das Dumme ist nur, daß wir den Schaden bezahlen müssen. Wenn wir keine Anzeige machen und wegen Sachbeschädigung klagen, dann müssen wir so einen Tragesessel bezahlen, und ich habe das Geld dafür nicht.“ „Glaubst du, die wissen, daß das so ist?“ fragte Vroni. Markus zuckte mit den Achseln.

Kristi sprang auf. „Da muß es doch eine Haftpflichtversicherung geben.“ rief sie. „Zuerst müssen wir beweisen, daß wir nicht selbst an dem Schaden schuld sind.“ sagte Markus. „Das ist für Zivildiener so.“ Kristi sprang auf. „Ich mache Kaffee.“ sagte sie. „Das ist ja unerträglich. Da lebt das ganze Gesundheitswesen von euch, und dann seid ihr nicht ordentlich versichert? Das ist doch pervers.“

„Hat der Chrobath nicht so etwas gesagt?“ fragte Vroni. „Hat der nicht etwas von dem Dienst an der Waffe gesagt.“ „Hat der? Weißt du, ich versuche so etwas nicht mehr zu hören. Und die meisten alten Leute, die wir transportieren müssen. Die sind sehr nett. Aber ja.“ Markus schaute nachdenklich. „Komisch war das schon mit diesem Mann. Der wollte dauernd, daß wir ihn mit Doktor anreden.“ Mia begann zu lachen. „Das hören wir hier jeden Tag.“ rief sie. „Und meiner Mama wirft er vor, daß sie ihr Doktorat verleugnet. Nur weil sie es nicht an die Wohnungstür schreibt.“ „Aber was machen wir jetzt mit dem Sessel.“ fragte Kristi. Sie verteilte Kaffee. „Am besten wird es sein, wir gehen einfach hinunter und fragen die.“

Markus nahm sein Kaffeehäferl und ging wieder zum Fenster. „Um wieviel Geld geht es denn.“ fragte Kristi Markus. „Ich habe keine Ahnung.“ antwortete er. „Wir haben einmal einen gebraucht.“ sagte Vroni. „Also wir haben nur so einen Transportsessel gebraucht. Für einen Ausflug, weil wir den Rolly da mitgenommen haben, und da haben die so um die 800,- Euro gekostet und wir haben einen für einen Tag mieten können. Aber eurer, der wird ja eine Spezialanfertigung sein. Der kommt wahrscheinlich mit dem Krankenwagen mit.“

„Du sagst es.“ nickte Markus. „Dann gehen wir jetzt und fragen die da unten.“ sagte Kristi. „Wir trinken den Kaffee und dann gehen wir.“

„Wir müssen vorsichtig sein.“ sagte Mia. Sie nippte an ihrem Kaffee und schaute vor sich hin. „Der Chrobath verklagt gleich alle Leute.“ „Was meinst du.“ fragte Kristi. „Na, der klagt halt gleich und damit kriegt er fast alles, was er will.“ „Der scheint ja ein ziemlicher Terror zu sein.“ Markus schaute sich um und trug sein Häferl in die Küche hinaus. „Das kann man sagen.“ seufzte Mia. „Aber wir alle fürchten uns vor ihm.“

Kristi stand auf. „So einen Terror kann man sich nicht bieten lassen.“ Sie schaute Vroni an. „Du wirst lieber hier bleiben wollen. Oder?“ Vroni stellte ihren Kaffee ab. „Nein. Ich komme mit. Aber sollen wir nicht lieber. Ich meine. Die Polizei.“ „Da bist du selber nicht hingegangen. Was soll die uns helfen.“ „Ist es denn nicht genug, wenn ihr eine Anzeige wegen Vandalismus habt und damit zur Versicherung geht?“ Vroni wandte sich an Markus. „Deshalb habe ich ja nach dir gesucht. Das ist doch das Blöde. Wir wissen genau, wer den Sessel kaputt gemacht hat. Aber wenn wir das sagen, dann glauben die uns doch nichts. Deshalb bist du ja als Zeugin so wichtig.“

Alle schwiegen. Kristi stand an der Tür. Markus saß wieder auf der Fensterbank. Mia saß vorgebeugt auf dem Sofa. Vroni lehnte sich zurück. „Voran. Voran.“ rief Kristi und zog Mia an der Hand vom Sofa auf. „Na gut.“ sagte Mia. „Fragen kostet ja nichts. Gehen wir.“

Vroni ging als letzte aus der Wohnung. Kristi hatte schon begonnen, mit ihrem handy ein Video zu machen. Sie stiegen die Stufen zum dritten Stock hinunter und sagte, „12. September 2016. 13.23 Uhr.“ Dann waren sie schon vor der Wohnung von Dr. Chrobath angekommen. Die Wohnungstür stand offen. Von drinnen waren laute Rufe und Geschrei zu hören. „Der Sieg ist unser.“ war zu hören. „Wir haben es geschafft.“

Kristi läutete. Die Glocke war in dem Tumult gar nicht richtig zu hören. Markus ging an die Tür und schrie „Hallo. Hallo.“ Lange geschah nichts. Alle schauten einander fragend an. Kristi machte Anstalten, die Wohnung zu betreten. Markus rief wieder, „Hallo. Hallo. Was ist denn da los?“ Er ging durch die Wohnungstür in das Vorzimmer und schrie noch einmal, „Was ist denn hier los?“ Er trat aber gleich wieder auf den Gang heraus. Ein junger Mann kam an die Wohnungstür und steckte den Kopf heraus. Er sah Markus und sagte, „Hier ist alles in Ordnung. Wir brauchen keine Rettung. Wer hat Sie denn geholt. Wir feiern. Wir feiern doch nur. Aber das wissen Sie vielleicht noch nicht. Die haben die Bundespräsidentenwahl auf Dezember verschoben und da werden wir alles gewinnen.“

„Sie werden das nicht.“ sagte Vroni und suchte auf ihrem handy nach dem Notruf. Vroni wandte sich an die anderen. „Das ist der Mann, der mich überfallen hat.“

1 Diese Folge ist allen gewidmet, die „es“ in der Flüchtlingsfrage schaffen.