Werk.

11.10.2022 · Vortrag.

Impulsvortrag.

11.10.2022

Keynote anlässlich der Diskussionsveranstaltung „Globale Herausforderungen, gesellschaftlicher Wandel und Beitrag der Wissenschaft“ an der Universität für Bodenkultur.

Unlängst. Die 13-jährige Magdalena sagt, „Ich werde ohnehin nur 40 Jahre alt. Was soll ich mir schon überlegen.“

Magdalena ist 2010 geboren. Sie sagt das in Erwartung der für 2050 vorausgesagten Klimakatastrophe. Und. Hier. Wir müssen auf der Wörtlichkeit dieser Aussage bestehen. Eine Wörtlichkeit ist das, die axiomatisch für die Lebensführung dieser Person ist. Dieser Personen. Und. Es ist jede tropische Interpretation dieses Satzes abzulehnen. Jede Verschiebung dieser Aussage ins Metonymisch-Metaphorische. Wir würden damit jene Abhängigkeit von der Unterhaltungsindustrie in Form profitorientierter Medien bestätigen, in der wir mittels dieser sprachbildlichen Verschiebungen in allen Arten von Pseudoempathien gehalten werden. Eine hergestellte Hilflosigkeit ist das, die Passivität mit genau diesem Populismus stiftenden Umgang mit dem Bedeuteten beruht.

Aber. Wie Magdalena das ausdrückt. Ich bin auch sicher, Sie werden die Welt nicht retten. Retten können. Denn. Retten. Dieses Wort. Wir belassen es besser bei der kolloquialen Verwendung von Rettung für Rettungswagen. Denn. Es geht um Heilung. Hier. Jetzt. Es müßte um Heilung im Sinn eines Vorgangs gehen, an dem alle teilnehmen und mitbeteiligt sind und werden. Ein Vorgang müßte das sein, der mit aller Klugheit und Vorsicht, ohne Rückschau in eine gemeinschaftliche Zukunft führt, von der wir nichts wissen können, weil die Welt noch nie richtig gewesen war. Rettung. Kulturell sind wir dazu angehalten, uns eine göttliche Fügung in welcher Form auch immer vorzustellen. Es wird vom Grad Ihrer jeweiligen persönlichen Säkularisierung abhängen, in welchen Bildern sich das für Sie vorstellt. Es muß also Heilung sein. Ein Sein und Werden in einem.

Nun. Ich stehe hier als Vertreterin des Literarischen als der eigentlichen Lebenswissenschaft. Wir sehen einander über einen Abgrund von mindestens 300 Jahren der Entfremdung der Naturwissenschaft von der Naturgeschichte in die Augen. Sie müssen also längst nicht mehr die ästhetisch richtigen Worte für Ihre Bedeutungen finden. Aber. Mit dem Verlassen der Naturgeschichte in die Naturwissenschaft haben sie nicht nur die allgemeine Verständlichkeit verlassen, sondern mit der Aufgabe der Ästhetik auch die Ethik. Und. Während die Rückbindung der Bedeutungen an das Allgemeine aufgegeben wurde, blieb die Rückbindung ans Hierarchische und damit ans Patriarchale bestehen. So ist Diktatorisches konstruiert. Die jeweilige Bedeutung wird bestimmt und ins Metaphorische verschoben verschleiert und hierarchisch durchgesetzt. Diese Anordnung hat zum Axiom von Magdalena geführt. Das Ende der Welt ist eine reale Vorstellung geworden.

Patriarchalität. Hegemonialität. Kanonische Zulassung. Macht erteilt sich in genau dem Maß, in dem eine Person sich dem Kosmos der Pflege entzieht und sich dem Kosmos des Öffentlichen anordnet. Wenn Sie über Ihre Work-Life-Balance rätseln, dann beschreiben Sie sich Ihre Einordnung in den Kosmos des Öffentlichen und wie Sie sich die Anteile Ihrer Person, die dem Kosmos der Pflege zufallen, in Selbstbeherrschung unterordnen können. Patriarchalität. Hegemonialität. Kanonische Zulassung. Ihr Geschlecht färbt nur noch diese Selbstbeherrschung. Das neoliberale Individuum wird durch vorgeschriebene Selbstvorsorge und Selbstfürsorge antisolidarisch daran beteiligt, wieviel Kriegsgewinn die Person durch Einordnung in den Kosmos der Öffentlichkeit über den Kosmos der Pflege einstreifen kann. Die Dominanz des Kosmos der Öffentlichkeit ist in die Person selbst verlegt. Der innere und äußere Sieg über den Kosmos der Pflege heißt dann Burn-out oder Professur. Mit der Abwertung des Kosmos der Pflege ist jedoch das Wissen vom Leben abgewertet, wenn nicht vernichtet. Nun repräsentiert der moderne Nationalstaat in der Nachfolge des aufgeklärten Absolutismus ausschließlich diesen Kosmos des Öffentlichen als Ort der Macht. Sie sind Angestellte eines solchen Staats, der sich ausschließlich der Zurichtung der zufällig in seinen Grenzen geborenen Subjekten widmet. In einem solchen Staat ist es wiederum dem Zufall überlassen, im Kosmos der Pflege, als in der allerersten Zeit der Person, Liebe zu erfahren. Oder nicht. Liebe. Lieben. Das ist Leben wollen machen. Das ist jene Zuwendung, die aus dem Leben jene Möglichkeit macht, in Gestalten und Gestaltenwerden, Erkenntnis gewinnen zu können und darin die Zeit zu überwinden. Aber. Hier. Weiterhin. In diskreten und weniger diskreten Maßnahmen unternimmt der Staat alles, das Leben Wollen der Person zu untergraben, um die Person durch folgsame Selbstabwertung in die hegemonialen Maßnahmen zu zwingen. Demokratie beruht auf der Selbstachtung, ja Selbstliebe der Person. Der abgewertete Kosmos der Pflege kann diese Selbstachtung nicht herstellen. Mit der Abwertung des Kosmos der Pflege wird die Demokratie inhaltlich und formal mit abgewertet. Bei Kafka können Sie diesen Vorgang in allen Variationen nachlesen.

Und. Ich stehe hier als Hochschülerschaftsvertreterin, die an der Eroberung des UOG 1975 mitwirkte. Dieses Gesetz war ein Geschenk an die Universitäten gewesen. Damals. Mitten in die Leere, die die Arisierungen nach sich gezogen hatten. Mitten in diese ungebrochenen Nazi-Biografien von Professoren. Mitten in die Fragestellungen des linguistic turns. Mitten in die Erkenntnisse der damaligen Energiekrise. Die österreichischen Universitäten bekamen die Möglichkeit, sich vollkommen neu zu erfinden. Demokratisch so. Die österreichischen Universitäten hätten zu weltweit beispielgebenden Orten des Wissenschaftlich-Demokratischen werden können. Längst könnten die Entfremdungen in Sprache und Anwendung geheilt und in solidaritätsstiftender Angeordnetheit Naturwissenschaft und Leben einander angenähert sein. Gesagtes und Gemeintes wären deckungsgleich, weil in einschließender Forschung und Forschungsumgebung die Mitbeteiligung aller geübt wäre. Damit wäre die Wertschätzung aller gegeben. Damit wiederum wäre die Glaubwürdigkeit gar nicht mehr notwendig. Es sind ja alle beteiligt. Ein Modell hätte entwickelt werden können, dass den Weg aus den Entfremdungen überkommener und ererbter Macht gefunden hätte. Vorbild für die Welt. Und. Es hätte all die Zeit seit damals gebracht, ein solches Modell zu erarbeiten. Dass es nicht einmal 20 Jahre gedauert hat, bis das UOG 75 niederlobbyiert war, erzählt alles von der Macht und dem Patriarchat und den spitzen Hierarchien, die immer Rettung anordnen, es aber nie zu gerettet Sein kommen lassen.

Magdalena wird miterleben müssen wie die Welt, auf wenige lebensfreundliche Flecken zusammengeschrumpft, mit Waffengewalt den Zugang dorthin verwehren wird.

Es ginge natürlich, sich nachhaltig besinnen zu wollen. Alle Verbindungen mit der Macht aufzugeben und sich einer basal einschließenden und wertschätzenden Vermittlung der Forschung zu widmen. Eine Forschung müßte das sein, die mitgeteilt, verstanden und gelebt werden kann. Der Kampf um die Welt findet hier in unseren Kulturen in den Personen selbst statt. Deshalb würde ich vorschlagen, zuallererst den jeweiligen eigenen Roman zu schreiben zu versuchen und aus den Erkenntnissen aus diesem Vorgang ein Curriculum zu entwickeln. Sie werden feststellen, dass es um Ertragen geht. Um Aushalten. Um das Ertragen von Wahrheiten. Das Ertragenkönnen der Wahrheiten. Und. Es geht um den Willen, dass die Welt ungeteilt allen zusteht. Aber solche Demokratie ist das Gegenteil von dem, was wir leben und wissen. Können und müssen. Solche Demokratie ist aber ganz sicher das, was die Magdalenas haben müssen, die als erste Generation den realen Untergang der Welt vorgesetzt bekommen, um sich gegen all die Rettungslügen des Kosmos des Öffentlichen wehren zu können.

Im Guardian vom 9. Oktober diesen Jahres fand sich folgender Text: Australia. Prized Picasso unharmed after Extinction Rebellion activists glue hands to painting in Melbourne.“ Die richtige Frage wäre natürlich, ob die Hände der Aktivist*innen unverletzt geblieben seien, in jener Stülpung der Verhältnisse, die dem Leben und dem Leben-Wollen den Vorrang vor den solidaritätsvernichtenden Werten des Kosmos der Öffentlichkeit verschafft.