Werk.

2000 · Text.

Burschen & ihre Herrlichkeiten.

EMMA. 03/04.2000. S. 24-25. 2000

 

Mein Fernsehapparat ist kaputt. Es ist Valentinstag und die Umrisse in der Mitte des Bildes verlaufen in Schlangenlinien. Unten ist dann alles wieder scharf. Oben auch. Ich könnte umschalten. Aber ich schalte nicht um. Was sollte ich die Misere in und um Österreich auch noch scharf sehen.

„Österreicher sind europäische Patrioten.“

Sagt die österreichische Außenministerin in Brüssel vor der internationalen Presse. Zum Glück komme ich in diesem Konzept nicht vor. Ich bin kein Patriot und schon gar keine Patriotin. Aber. Frauen gibt es in Österreich nicht mehr. Jedenfalls nicht als eigenständiges politisches Phänomen. Die Jungburschenschafter der FPÖ und die „alten Herren“ aus den katholischen Studentenverbindungen der ÖVP haben alles Emanzipatorische hinweggefegt. Es gibt natürlich viele Frauen auf der Regierungsbank. Aber die sagen eben, daß die Österreicher europäische Patrioten sind. Was mit den Österreicherinnen ist, scheint nicht mehr wichtig. „Was man sagt, das ist man selber,“ hat es im Kindergarten geheißen. Wütend wurde dieser Satz als Antwort auf Schmähungen zurückgezischt. Viel weiter hat sich die Sache hierzulande nicht entwickeln lassen. Die Außenministerin jedenfalls muß diesen Männerbund verteidigen. Funktioniert darin als Mann. Ist ein Mann. Und wahrscheinlich ein europäischer Patriot.

Im welligen Fernsehbild bekomme ich dann berichtet, Herr Haider ist mit dem Regierungspakt nicht mehr zufrieden. Vor 2 Wochen hat er ihn unterschrieben. Die Pensionsreform gefällt ihm nicht. Es geht um die Pensionen von Spitzenfunktionären der Kammern. In solchen Positionen gibt es keine Frauen und so bleibt das wieder Männersache. Die Frauen existieren einfach nicht mehr. Das ist auch praktisch. Die Frauenarmut, die die Pensionsreform verstärken wird, die gibt es dann auch nicht. Erwähnt wird sie jedenfalls von niemandem.

„Ich hätte es gerne etwas weiblicher gehabt.“

Sagt Frau Haider. Sie hat das Frauenvolksbegehren nicht unterschrieben. Das war ihr zu radikal. Und ihr Mann. Die Wohnung in Wien haben sie aufgegeben. Der Mann soll lieber jeden Tag nach Hause jetten. Ein Mann gehört nach Hause. Schließlich. Deshalb gibt es nur noch Familienpolitik und den Kinderscheck für junge Mütter. Damit sie auch zu Hause bleiben und nicht auf den überlasteten Arbeitsmarkt drängen. Gleichzeitig sollen aber Frauen auch länger arbeiten. Obwohl. Es wird den Frauen heimgezahlt. Denn gewählt haben sie Haider nicht so enthusiastisch, wie man es sich für den Kinderscheck erwartet hatte. 32 % der Männer gaben der Haiderpartei ihre Stimme. 23 % der Frauen taten das auch. Und daß die FPÖ eine Männerpartei ist, zeigt das Wahlverhalten der Arbeiter besonders deutlich. 52 % der Arbeiter gingen auf den herausfordernden Populismus Haiders ein. Von den Arbeiterinnen entschlossen sich dazu nur 25 %.

„Ich war in dem Theater, das man Parlament nennt.“

Sagt der FPÖ Finanzminister. Mit 31 Jahren ist er der jüngste Finanzminister, den wir je hatten. Der BWL Absolvent und Magna Konzernmanager hat vor 3 Jahren in Kärnten in der Landesregierung die Weisung erlassen, „öffentliche Aufträge nur noch an Baufirmen zu vergeben, die ausschließlich heimische Arbeiter oder Arbeiter aus EU-Ländern beschäftigen.“ In meinem verwackelten Fernsehbild erklärt er, was das Theatralische am Parlament sei. Er folgt damit haiderischem Sprachgebrauch. Erst sagt er die Grundvereinbarung über etwas auf. In diesem Fall das Parlament. Dann erklärt er die Wörtlichkeit seines Vergleichs. Er meint das ernst. Die abgeordneten spielten doch Theater. Er sähe das jedenfalls so. Und dann schaut er unschuldig und beruft sich auf das Recht, eine Meinung haben zu dürfen. So funktioniert Verunglimpfung. So wird immer neue Unsicherheit hergestellt, die wiederum noch engeren Zusammenschluß um die Leitfigur und ihre sprachliche Deutung der Welt, der Vergangenheit und zur Zeit des bösen Auslands nach sich zieht. Dieser Klammerreflex wird so immer wieder neu verstärkt. Und Frauen. Frauen gibt es auch hier nicht. Frauen können in der Männergruppe a la Mann mitmachen. Oder Marketenderinnen werden. Oder bleiben.

„Wenn ich über Gewalt und Verbrechen nachdenke, dann habe ich eine Inspiration beim Schreiben.“

Sagt dann der Schriftsteller Gerhard Roth in der Kultur nach den Nachrichten.

„Man muß verstehen, was nicht gesagt wird.“

Sagt der Theaterdirektor und Schauspieler Helmut Lohner. Er spielt den Schwierigen in „Der Schwierige“ von Hoffmannsthal. Dieses Stück über die Beziehunggestörtheit eines Monarchiedandys wird in der Josefstadt aufgeführt. Es ist ein schwieriger Kampf der Frauen, bis sie dem Schwierigen beigebracht haben, daß er sich für eine von ihnen entscheiden soll. Immerhin. Frauen treten auf. Wenigstens als Nebenfiguren.

„Meine gigaschlanken Wadln,

sind a Wunder für die Madln.“

Singt der Anton von Tirol nach der Kultur in den „Seitenblicken“, der Gesellschafts-, Tratsch und Klatschsendung des österreichischen Fernsehens. Und eine dirndelige Geierwalli lüpft neben dem Anton den Rock im Takt.

„Es gibt schon eine Gerechtigkeit.“

Sagt dann gleich darauf eine Kandidatin zu den Wahlen zur Miss Oberösterreich. Silke heißt sie. Und sie gewinnt nicht. Aber während die Kandidatinnen strengen Auswahlkriterien unterliegen, dürfen „die Juroren ins Gewicht fallen und Erfahrung haben.“ Das heißt wohl, daß alt und fett sein dürfen. Zum Glück gibt es in dieser Jury nicht die noch vor kurzem übliche Alibifrau. Damit ersparen wir uns diese schwierige Argumentation, daß es Frauen gibt, die emanzipiert auf ihre Würde achten wollen und können und andere Frauen damit nicht verächtlich machen müssen und wollen. Und daß es Frauen gibt, die lieber bei den Männern mitmachen. Und das auch gegen andere Frauen. Die in der Mitte welligen Missen in meinem Fernsehbild stehen sehr brav und sehr schlank in ihren Bikinis vor den Juroren.

„“Was mir an Wien abgeht? Der Kaffee!“

Ruft Claus Peymann dann in der Werbung aus und wirbt für die Jubiläumsmischung einer Kaffeefirma. Auch Peymann ist schlangewellig. Und damit verträglich. Wie alles nur verzerrt auszuhalten war. Aber ich drehe ab. Muß abdrehen. Jeder Tag ist schockierend. Jeden Tag wachen wir zu schockierenderen Meldungen auf. Heute hat uns Argentinien geächtet. Gestern hat Haider Churchill einen Verbrecher genannt. Der tägliche Schock lähmt. Macht krank. Betäubt. Wir sind vollends in ein Stück von Elfriede Jelinek geraten. Und der Vorhang fällt nicht. Das Projekt der Moderne scheint fürs erste gescheitert. Und damit jeder Anspruch an Emanzipation. Emanzipationen. „Braucht niemand!“ hat es zu feministischen Forderungen nun mehr als 10 Jahre geheißen. Der Postfeminismus wurde ausgerufen und eine Koalition von rechten und katholischen Männern greift so etwas gerne auf. Befreiung von der Zwangsbefreiung heißt das dann.

Eine Frage bleibt. Warum hat uns die sozialdemokratische Frauenministerin nicht ein Paradies des Feminismus eingerichtet, das nicht mehr wegzudenken wäre. Heute ist nichts von dem bisher Erreichten politisch sicher.