Werk.

24.06.2024 · Texte. Aller Art.

Trump 2024.

Der Standard. 24.06.2024

Der größte Verdienst an der Herstellung des Faschismus á la Trump muss den corporate media zugesprochen werden. Im Kampf um die Einschaltquoten fabrizieren die Befürwortermedien wie „Fox News“ oder die Gegner von Trump bei MSNBC oder CNN mit, über und gegen Trump jene Anlässe, die dann in den sozialen Medien als millionenfaches clickbait dienen. Je nachdem.

Donald J. Trump. Die Berichte über ihn und mit ihm waren nie normal verlaufende Herrschaftsberichterstattung. Auch während seiner Präsidentschaft verlief die Berichterstattung nicht in der gewohnten Form des politischen Berichts. Also in jener Elitenselbstkontrolle liberaler Demokratien, die über den Bericht des Tuns der Mächtigen die Staatsmacht abbilden. Eine Staatsmacht wird da berichtet, die in ständigem Werden ist. Das wahre Ausmaß der Staatsmacht wird hinter dieser Bewegungsschilderung verborgen. In den USA wird das der „deep state“ genannt.

Trump schob sich jedoch vor langer Zeit schon über die Unterhaltungsschiene in die Öffentlichkeit. Ein Bericht über Trump oder mit Trump ist so immer auch gleich homestory und Psychopathologie. Trump hat damit von vorneherein nicht das Außen aller anderen traditionellen politischen Figuren, das ein privates Inneres verbirgt. Zwar sind trotzdem alle Medien auf der Suche nach diesem geheimnisvollen Kern. Trump knacken und den innersten Kern bloßlegen. Dieses wiederum traditionelle Vorhaben investigativen Journalismus muss scheitern. Trump teilt sich nicht in den Mann im Kosmos des Öffentlichen und den Mann, der im Kosmos der Pflege der Hausvater ist, in der er die von ihm abhängige Familie regiert. Trump ist der Hausvater der agnatischen Familie in aller Öffentlichkeit. Ja. Die Öffentlichkeit insgesamt ist seine agnatische Familie, in der nur die männlichen Erben gelten. Trump entzieht sich mit diesem Anspruch den Regeln eines kollektiven Superegos des liberalen „common good“. Und. Trump hindert keine Ich-Instanz im unbewussten Handeln.

Donald J. Trump brachte und bringt die idealen Voraussetzungen für seine Medienkonstruktion als MAGA Führer mit. Trump erzielte und erzielt seine Wirkung aus der Verschränkung seines Klassenschicksals mit seinem Triebschicksal. Da ist sein Klassenschicksal als Erbe eines Immobilienvermögens, das wiederum sein Triebschicksal als das ermöglichte, was einmal Playboy genannt wurde, und was wir heute als unrekonstruierte, anti-essentialistische Männlichkeit bezeichnen. So. Die über und mit Trump laufende, alles und auch die sozialen Medien füllende Reality-TV-Show bietet von diesem Kreuzungspunkt aus alle Anschlussmöglichkeiten für alle lebensweltlichen Kollisionen seiner Anhänger mit den politischen Wahrheiten des Gegenwärtigen.

Die Verkreuzung von Klassenschicksal und Triebschicksal ermöglicht erst die Teilhabe an Trump. Er ist nicht auf die Figur der staatlichen Macht beschränkt. Immer schon war Trump ja aufgrund der Erfüllung seiner „traditionell“ männlichen Wünsche in den Medien. Die Schönheitskonkurrenzen. Die Casinos als Ort der Schicksalentscheidungen über Geld und Lust. Die Ehen. Die anderen Frauen. Trump, der Mann ist der ganz normale Hausvater des römischen Rechts mit Doppelleben. Ein Operettenmann im Apriori einer gegebenen, unveränderlichen und naturhaften Essenz der Geschlechterdifferenz. Der Grapscher, dem alle Frauen gehören, wenn sie ihm gefallen. Auf dem Video zur deposition für den E. Jean Caroll Case in New York. Trump schaut kindisch beleidigt weg, wenn er der Anwältin Roberta Kaplan gesteht, dass sie für ihn nicht in Frage käme. Für einen Hegemon dieser altmodischen Sorte ist es eben eine Beleidigung, wenn nicht alle Frauen in seiner Umgebung nicht nur schön sind, sondern auch zu Verfügung stehen.

Die Auflösung des Geschlechterbegriffs? Das macht Trump möglich. Denn. In der Ablehnung all der Genderei. In der Ablehnung von gendern. Das ist der notwendige Punkt, an dem sich die Anhänger und die Führung treffen. Im Anti-Genderismus findet sich der Anschluss. Die Faschismen Trump`scher Natur brauchen den „woken“ Gegenentwurf. In symbiotischer Weise rankt sich die Gegnerschaft um jede Errungenschaft dessen, was „woke“ genannt wird. „Woke“, das ist alles, was gegen die eigene Konstruktion des Lebenswirklichen geht. „Woke“. Das kann nicht definiert werden. Es kann aber alles, was eine trumpische Person so stört, als „woke“ bezeichnet werden. „Woke“ ist daher ein Begriff des Rassistischen. Ein Kampfbegriff, der mit allem gefüllt werden kann, was so daherkommt. Ungeordnet und willkürlich. Solche Gegnerschaft erfindet sich selbst gegen alle Realität. Ja. Solche Gegnerschaft erfindet sich selbst das Feindliche, um dann dagegen angehen zu können. Ein rein emotionaler Raum wird geschaffen, in den der Kampf verlagert wird. Die corporate media haben sich in diesen Raum ziehen lassen, in dem Trump die volle Kontrolle ausübt. Populismus.

Der rein emotionale Raum. Es geht um Lebensweltliches. Und zwar um Lebensweltliches subalterner Gruppen in den USA.  Wie für alle untergeordneten Gruppen einer Bevölkerung gibt es keine Geschichtsschreibung über sie. Jedenfalls politisch wissenschaftlich beschreibt sich die Marginalisierung dieser Gruppen in genau der Tatsache, dass nichts über sie bekannt ist. Und nun. Die unberichtete Geschichte dieser Gruppen macht sich selbst zum Politikum. Trump muss seinem Klassenschicksal nach der Hegemonie, also dem Staat zugerechnet werden. Er gehört der Klasse in den USA an, die den Staat besorgt und die Macht verwaltet. Trumps Anhänger. Das, was seine base genannt wird. Die befinden sich auf dem Land. Bevölkerungsgruppen sind das, die sich benachteiligt sehen, aber schwer bewaffnet auftreten. Diese Bevölkerungsgruppen haben in der MAGA Bewegung in der republikanischen Partei eine Kristallisation gefunden. Es musste keine neue Bewegung für das Emanzipationsbegehren dieser Gruppen aufgebaut werden. Die republikanische Partei wurde für diese Bewegung dienstbar gemacht. Die republikanische Partei ist erobert und steht mittlerweile als Instrument zu Verfügung. Und weiterhin geht es um Lebensweltliches. Es ist gleichgültig, wie diese Bevölkerungsgruppen von der Soziologie oder der Politik oder den Medien eingeschätzt werden. Beurteilt sind. Abgewertet werden. Es geht um die Selbstempfindung. Es geht um das Gefühl, ob Teilhabe am Gesellschaftlichen erlebt wird. Oder nicht. Und was Teilhabe ist, wird neu definiert. Empfindung ist das Maß der Einschätzungen. Analyse gilt nicht. Trump wird von diesen Gruppen das Mandat erteilt, über seine Teilhabe an der Macht die Vertretung der Anliegen der, sich subaltern Fühlenden, gegenüber allen Strukturen des Staats zu übernehmen. Dieses Mandat scheint durchaus die Überwindung der jetzt herrschenden Klasse zu meinen. Mit welchen Mitteln auch immer.

Dafür ist die Situation auch medial richtig. Denn. Die TV-Industrie ist am Ende. Die verbliebenen Fernsehkanäle verlieren immer weiter an Publikum. Die Unterhaltungsindustrie reagiert der eigenen Logik folgend mit Qualitätsabbau. Kapitalismus ist ja am Ende anti-bürgerlich und Kultur nur irgendein weiteres Instrument. Im Übrigen geht es bei diesem Konflikt nicht um eine Gegenrevolution. Was in den nächsten Wahlen in den USA ausgehandelt wird, da geht es um die Frage, wer die US-amerikanische Revolution und damit deren Errungenschaften besetzt. Wer der bessere Revolutionär ist und deshalb Anrecht auf die Wohltaten davon hat. Die Capitolstürmer am 6. Jänner 2021 wollten die besseren Amerikaner in der Durchsetzung ihrer bestehenden, verfassungsgarantierten Rechte sein.

Nun ist die US-amerikanische TV-Welt ohnehin eine einzige Homestory geworden. Jede Person, die irgendwo irgendwie im TV auftritt, wird in unzähligen Talkshows, Late-Night-Shows, Comedy Shows oder Blogs über ihr Leben außerhalb des TV-Auftritts befragt. Das folgt dem Rezept der politischen Berichterstattung. Die Person wird aus allen sie betreffenden Umständen herausgeschält und als Figur isoliert. Die Person wird so wiederum zu einer Medienfigur, die allein Auskunft über sich geben kann. Darf. Trump befolgt dieses Rezept aufs Genaueste. Er hat sich über all die vielen Jahre die Message-Control über seine Person erhalten. Der Prozess gerade in New York hat dies einmal mehr an den Tag gebracht, wie genau Trump seine Medienfigur gebaut hat. Und so. Trump, die Medienfigur verdeckt Trump, den Konstrukteur seiner speziellen Faschismen. Und weil es um den Profit der Mediencorporation geht, ist die Ausbeutung dieser Konstruktion tätige Unterstützung Trumps als Vorgang der Selbsterhaltung wiederum der Medien.

„So they came up with this order. I won’t say it, because I don’t like using the word bullshit in front of these beautiful children. So I don’t say it.“ [1] So einfach ist es. Ideologie geht grammatikalisch vor. Die Verneinung wird über die semantische Bejahung des Akkusativobjekts ins Ambivalente geführt. Ein Trick. Einer von vielen. Wie es insgesamt nicht um ein Programm geht. Jeder Auftritt Trumps. Jeder Twitterfeed. Jede truthsocial Nachricht. Es geht immer weiter. Es sind keine Mosaiksteinchen, die zu einem Gesamtbild führen würden. Es geht um Bewegung. Und ganz wörtlich so. Ganz in der TV-Kultur der 80er Jahre sozialisiert, bleibt Trump bei seinen Reality-TV Erfahrungen vom „Apprentice“. Es ist eine Dauerfernsehshow, die er liefert. Und diese Show ähnelt eher einer Kochshow, in der der Koch die geheime Zutat verrät. In jeder Show eine neue geheime Zutat für ein wieder anderes Gericht. Die Kontinuität bleibt bei den kleinen Bemerkungen in der Art des Zitats oben, in denen die Politik aufblitzt. Diktator für einen Tag. Also Diktator für immer. Rache. Rache an den Verfolgern. Das Recht soll der Politik folgen. Die Geschlechter sind natürlich. Männer sind Männer und haben alle Rechte. Dem Hausvater steht alles zu. Auch die Gewalt. Und genaugenommen. Es ist durchaus logisch, wenn Trump sich mit Jesus vergleicht. In den Evangelien. Trump stellt den Vorgang der Verkündigung danach. Jeden Tag ein Wunder. Jeden Tag eine Verkündigung. Erst alle Verkündigungen zusammen ergeben ein Programm, das sich immer erst im Nachhinein zu erkennen gibt. Interpretiert werden kann. Die Anhänger werden in die Zeit gebunden und die Ziele bleiben vage. So zu kommunizieren. Das ist aber ohnehin die Methode der herrschenden politischen Berichterstattung bis hin zu den mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten journalistischen Texten. Das ist zutiefst kulturelle Christlichkeit der Texte. Das wiederum ermöglicht den Anschluss der Evangelikalen. Die Ideologie ist selbst Lebenswirklichkeit. So geht glauben. Und Glaube. Der ist mit wissenschaftlichen Mitteln nicht beschreibbar. Der braucht Theologien. Die liefert Trump. Erfassung. Darstellung. Das ginge nur literarisch.

Denn Lebenswirklichkeiten? Die verzweifelte Anpassungsleisstung der Sozialwissenschaften an die naturwissenschaftlichen Sprachen. Und damit die unhinterfragte Weiterführung des Linné’schen Verfahrens der Arteneinteilung in natürliche Geschlechter. Die sorglose Folge der Wissenschaften in die gegebenen Hierarchien. Und wahrscheinlich Verachtung. Verachtung des Literarischen als wissenschaftliche Möglichkeit. Seit dem 16. Jahrhundert üben die Wissenschaften sich in dieser Verachtung. Monopolisieren die Produktion von Wissen. Wären John Updikes „Rabbit Novels“ gelesen worden. Gelesen als forschender Vorgang. The „Grapes of Wrath“ scheinen mir immer noch relevant. Alle Romane von Faulkner, Hemingway. Und wer Faulkners „The Wild Palms“ und Joan Didions „Play it as it lays“ gelesen hat, kann nie wieder Abtreibung verbieten wollen. Lebenswirklichkeiten können nur in Romanen wiedergegeben werden. Und es ist ja dieser Wunsch, im eigenen Roman vorgekommen zu sein, der die Nicht-Beschriebenen bewegt. Wäre Literatur nicht so endgültig in den Bereich der Unterhaltung verbannt worden. Es könnte etwas über die Trump Anhänger gewusst worden sein. Weil die Geschichte Subalterner immer nur in Einzelgeschichten erzählbar ist. Aber das würde ja ohnehin schon eine andere Politik vorausgesetzt haben. Eine ganz andere Kultur.

Große Gruppen von Personen, die sich nicht anerkannt finden, sind in Alarmbereitschaft. In den USA nährt Donald J. Trump seinen persönlichen Narzissmus in aller Öffentlichkeit mit der Vernutzung dieser Alarmbereitschaft. Aus der Geschichte wissen wir, dass subalterne Gruppen immer von ihren Führungen um den Sieg betrogen werden. Bis das aber entschieden ist? Werden es die nächsten Wahlen in den USA sein? Wird dieser Konflikt sich hinziehen? Und wann werden die Wissenschaften in der Lage sein, Geschichte schreiben zu können, die geschichtlich relevant ist? Bei Antonio Gramsci finden sich Anleitungen dafür. Was sich bei Gramsci nicht findet, das ist die Beschreibung, wie grausam das Patriarchale ist. Was es bedeutet, wenn wieder das So eines Geboren Seins über das Schicksal entscheiden soll. Wie dieses Patriarchale sorgsam die Vernachlässigung weiter Schichten organsiert, um diese Schichten im Krieg um die Erhaltung der Macht in eben diesem Systems vernutzen zu können. Wie tödlich das Patriarchale für die ist, die es bilden. Wie auslöschend für die, die gerade deswegen nicht dazugezählt werden, weil sie es bilden. Wie siegreich für die wenigen, die sich in die Hierarchien retten können. Wie Gewalt die anerkannte Sprache bleibt. Wie Revolutionen immer schon der Nutzen der Hegemonie sind. Wie die Hausvaternschaft im Privaten den Machterhalt im Großen bezweckt. Wie so ein Privileg männlicher Geburt alle Lebendigkeit verhindert, weil der Männerkörper für den Kampf geschult, immer schon in seinem Tod leben muss. Wie lange wird es noch dauern, bis Gleicheit unter Männern möglich sein wird? Anders, aber nicht unähnlich geht es in den USA wie bei uns genau darum. Wann werden Männer demokratiefähig geworden sein.

 

[1] Trumps erster Auftritt nach der Verurteilung durch eine New Yorker Jury am 31. Mai 2024  in Phoenix, Arizona.

06.11.2024 · Texte. Aller Art.

Trump 2024.

06.11.2024

Aus gegebenem Anlass ein Text vom Juni 2024.

Der größte Verdienst an der Herstellung des Faschismus á la Trump muss den corporate media zugesprochen werden. Im Kampf um die Einschaltquoten fabrizieren die Befürwortermedien wie „Fox News“ oder die Gegner von Trump bei MSNBC oder CNN mit, über und gegen Trump jene Anlässe, die dann in den sozialen Medien als millionenfaches clickbait dienen. Je nachdem.

Donald J. Trump. Die Berichte über ihn und mit ihm waren nie normal verlaufende Herrschaftsberichterstattung. Auch während seiner Präsidentschaft verlief die Berichterstattung nicht in der gewohnten Form des politischen Berichts. Also in jener Elitenselbstkontrolle liberaler Demokratien, die über den Bericht des Tuns der Mächtigen die Staatsmacht abbilden. Eine Staatsmacht wird da berichtet, die in ständigem Werden ist. Das wahre Ausmaß der Staatsmacht wird hinter dieser Bewegungsschilderung verborgen. In den USA wird das der „deep state“ genannt.

Trump schob sich jedoch vor langer Zeit schon über die Unterhaltungsschiene in die Öffentlichkeit. Ein Bericht über Trump oder mit Trump ist so immer auch gleich homestory und Psychopathologie. Trump hat damit von vorneherein nicht das Außen aller anderen traditionellen politischen Figuren, das ein privates Inneres verbirgt. Zwar sind trotzdem alle Medien auf der Suche nach diesem geheimnisvollen Kern. Trump knacken und den innersten Kern bloßlegen. Dieses wiederum traditionelle Vorhaben investigativen Journalismus muss scheitern. Trump teilt sich nicht in den Mann im Kosmos des Öffentlichen und den Mann, der im Kosmos der Pflege der Hausvater ist, in der er die von ihm abhängige Familie regiert. Trump ist der Hausvater der agnatischen Familie in aller Öffentlichkeit. Ja. Die Öffentlichkeit insgesamt ist seine agnatische Familie, in der nur die männlichen Erben gelten. Trump entzieht sich mit diesem Anspruch den Regeln eines kollektiven Superegos des liberalen „common good“. Und. Trump hindert keine Ich-Instanz im unbewussten Handeln.

Donald J. Trump brachte und bringt die idealen Voraussetzungen für seine Medienkonstruktion als MAGA Führer mit. Trump erzielte und erzielt seine Wirkung aus der Verschränkung seines Klassenschicksals mit seinem Triebschicksal. Da ist sein Klassenschicksal als Erbe eines Immobilienvermögens, das wiederum sein Triebschicksal als das ermöglichte, was einmal Playboy genannt wurde, und was wir heute als unrekonstruierte, anti-essentialistische Männlichkeit bezeichnen. So. Die über und mit Trump laufende, alles und auch die sozialen Medien füllende Reality-TV-Show bietet von diesem Kreuzungspunkt aus alle Anschlussmöglichkeiten für alle lebensweltlichen Kollisionen seiner Anhänger mit den politischen Wahrheiten des Gegenwärtigen.

Die Verkreuzung von Klassenschicksal und Triebschicksal ermöglicht erst die Teilhabe an Trump. Er ist nicht auf die Figur der staatlichen Macht beschränkt. Immer schon war Trump ja aufgrund der Erfüllung seiner „traditionell“ männlichen Wünsche in den Medien. Die Schönheitskonkurrenzen. Die Casinos als Ort der Schicksalentscheidungen über Geld und Lust. Die Ehen. Die anderen Frauen. Trump, der Mann ist der ganz normale Hausvater des römischen Rechts mit Doppelleben. Ein Operettenmann im Apriori einer gegebenen, unveränderlichen und naturhaften Essenz der Geschlechterdifferenz. Der Grapscher, dem alle Frauen gehören, wenn sie ihm gefallen. Auf dem Video zur deposition für den E. Jean Caroll Case in New York. Trump schaut kindisch beleidigt weg, wenn er der Anwältin Roberta Kaplan gesteht, dass sie für ihn nicht in Frage käme. Für einen Hegemon dieser altmodischen Sorte ist es eben eine Beleidigung, wenn nicht alle Frauen in seiner Umgebung nicht nur schön sind, sondern auch zu Verfügung stehen.

Die Auflösung des Geschlechterbegriffs? Das macht Trump möglich. Denn. In der Ablehnung all der Genderei. In der Ablehnung von gendern. Das ist der notwendige Punkt, an dem sich die Anhänger und die Führung treffen. Im Anti-Genderismus findet sich der Anschluss. Die Faschismen Trump`scher Natur brauchen den „woken“ Gegenentwurf. In symbiotischer Weise rankt sich die Gegnerschaft um jede Errungenschaft dessen, was „woke“ genannt wird. „Woke“, das ist alles, was gegen die eigene Konstruktion des Lebenswirklichen geht. „Woke“. Das kann nicht definiert werden. Es kann aber alles, was eine trumpische Person so stört, als „woke“ bezeichnet werden. „Woke“ ist daher ein Begriff des Rassistischen. Ein Kampfbegriff, der mit allem gefüllt werden kann, was so daherkommt. Ungeordnet und willkürlich. Solche Gegnerschaft erfindet sich selbst gegen alle Realität. Ja. Solche Gegnerschaft erfindet sich selbst das Feindliche, um dann dagegen angehen zu können. Ein rein emotionaler Raum wird geschaffen, in den der Kampf verlagert wird. Die corporate media haben sich in diesen Raum ziehen lassen, in dem Trump die volle Kontrolle ausübt. Populismus.

Der rein emotionale Raum. Es geht um Lebensweltliches. Und zwar um Lebensweltliches subalterner Gruppen in den USA.  Wie für alle untergeordneten Gruppen einer Bevölkerung gibt es keine Geschichtsschreibung über sie. Jedenfalls politisch wissenschaftlich beschreibt sich die Marginalisierung dieser Gruppen in genau der Tatsache, dass nichts über sie bekannt ist. Und nun. Die unberichtete Geschichte dieser Gruppen macht sich selbst zum Politikum. Trump muss seinem Klassenschicksal nach der Hegemonie, also dem Staat zugerechnet werden. Er gehört der Klasse in den USA an, die den Staat besorgt und die Macht verwaltet. Trumps Anhänger. Das, was seine base genannt wird. Die befinden sich auf dem Land. Bevölkerungsgruppen sind das, die sich benachteiligt sehen, aber schwer bewaffnet auftreten. Diese Bevölkerungsgruppen haben in der MAGA Bewegung in der republikanischen Partei eine Kristallisation gefunden. Es musste keine neue Bewegung für das Emanzipationsbegehren dieser Gruppen aufgebaut werden. Die republikanische Partei wurde für diese Bewegung dienstbar gemacht. Die republikanische Partei ist erobert und steht mittlerweile als Instrument zu Verfügung. Und weiterhin geht es um Lebensweltliches. Es ist gleichgültig, wie diese Bevölkerungsgruppen von der Soziologie oder der Politik oder den Medien eingeschätzt werden. Beurteilt sind. Abgewertet werden. Es geht um die Selbstempfindung. Es geht um das Gefühl, ob Teilhabe am Gesellschaftlichen erlebt wird. Oder nicht. Und was Teilhabe ist, wird neu definiert. Empfindung ist das Maß der Einschätzungen. Analyse gilt nicht. Trump wird von diesen Gruppen das Mandat erteilt, über seine Teilhabe an der Macht die Vertretung der Anliegen der, sich subaltern Fühlenden, gegenüber allen Strukturen des Staats zu übernehmen. Dieses Mandat scheint durchaus die Überwindung der jetzt herrschenden Klasse zu meinen. Mit welchen Mitteln auch immer.

Dafür ist die Situation auch medial richtig. Denn. Die TV-Industrie ist am Ende. Die verbliebenen Fernsehkanäle verlieren immer weiter an Publikum. Die Unterhaltungsindustrie reagiert der eigenen Logik folgend mit Qualitätsabbau. Kapitalismus ist ja am Ende anti-bürgerlich und Kultur nur irgendein weiteres Instrument. Im Übrigen geht es bei diesem Konflikt nicht um eine Gegenrevolution. Was in den nächsten Wahlen in den USA ausgehandelt wird, da geht es um die Frage, wer die US-amerikanische Revolution und damit deren Errungenschaften besetzt. Wer der bessere Revolutionär ist und deshalb Anrecht auf die Wohltaten davon hat. Die Capitolstürmer am 6. Jänner 2021 wollten die besseren Amerikaner in der Durchsetzung ihrer bestehenden, verfassungsgarantierten Rechte sein.

Nun ist die US-amerikanische TV-Welt ohnehin eine einzige Homestory geworden. Jede Person, die irgendwo irgendwie im TV auftritt, wird in unzähligen Talkshows, Late-Night-Shows, Comedy Shows oder Blogs über ihr Leben außerhalb des TV-Auftritts befragt. Das folgt dem Rezept der politischen Berichterstattung. Die Person wird aus allen sie betreffenden Umständen herausgeschält und als Figur isoliert. Die Person wird so wiederum zu einer Medienfigur, die allein Auskunft über sich geben kann. Darf. Trump befolgt dieses Rezept aufs Genaueste. Er hat sich über all die vielen Jahre die Message-Control über seine Person erhalten. Der Prozess gerade in New York hat dies einmal mehr an den Tag gebracht, wie genau Trump seine Medienfigur gebaut hat. Und so. Trump, die Medienfigur verdeckt Trump, den Konstrukteur seiner speziellen Faschismen. Und weil es um den Profit der Mediencorporation geht, ist die Ausbeutung dieser Konstruktion tätige Unterstützung Trumps als Vorgang der Selbsterhaltung wiederum der Medien.

„So they came up with this order. I won’t say it, because I don’t like using the word bullshit in front of these beautiful children. So I don’t say it.“ [1] So einfach ist es. Ideologie geht grammatikalisch vor. Die Verneinung wird über die semantische Bejahung des Akkusativobjekts ins Ambivalente geführt. Ein Trick. Einer von vielen. Wie es insgesamt nicht um ein Programm geht. Jeder Auftritt Trumps. Jeder Twitterfeed. Jede truthsocial Nachricht. Es geht immer weiter. Es sind keine Mosaiksteinchen, die zu einem Gesamtbild führen würden. Es geht um Bewegung. Und ganz wörtlich so. Ganz in der TV-Kultur der 80er Jahre sozialisiert, bleibt Trump bei seinen Reality-TV Erfahrungen vom „Apprentice“. Es ist eine Dauerfernsehshow, die er liefert. Und diese Show ähnelt eher einer Kochshow, in der der Koch die geheime Zutat verrät. In jeder Show eine neue geheime Zutat für ein wieder anderes Gericht. Die Kontinuität bleibt bei den kleinen Bemerkungen in der Art des Zitats oben, in denen die Politik aufblitzt. Diktator für einen Tag. Also Diktator für immer. Rache. Rache an den Verfolgern. Das Recht soll der Politik folgen. Die Geschlechter sind natürlich. Männer sind Männer und haben alle Rechte. Dem Hausvater steht alles zu. Auch die Gewalt. Und genaugenommen. Es ist durchaus logisch, wenn Trump sich mit Jesus vergleicht. In den Evangelien. Trump stellt den Vorgang der Verkündigung danach. Jeden Tag ein Wunder. Jeden Tag eine Verkündigung. Erst alle Verkündigungen zusammen ergeben ein Programm, das sich immer erst im Nachhinein zu erkennen gibt. Interpretiert werden kann. Die Anhänger werden in die Zeit gebunden und die Ziele bleiben vage. So zu kommunizieren. Das ist aber ohnehin die Methode der herrschenden politischen Berichterstattung bis hin zu den mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten journalistischen Texten. Das ist zutiefst kulturelle Christlichkeit der Texte. Das wiederum ermöglicht den Anschluss der Evangelikalen. Die Ideologie ist selbst Lebenswirklichkeit. So geht glauben. Und Glaube. Der ist mit wissenschaftlichen Mitteln nicht beschreibbar. Der braucht Theologien. Die liefert Trump. Erfassung. Darstellung. Das ginge nur literarisch.

Denn Lebenswirklichkeiten? Die verzweifelte Anpassungsleisstung der Sozialwissenschaften an die naturwissenschaftlichen Sprachen. Und damit die unhinterfragte Weiterführung des Linné’schen Verfahrens der Arteneinteilung in natürliche Geschlechter. Die sorglose Folge der Wissenschaften in die gegebenen Hierarchien. Und wahrscheinlich Verachtung. Verachtung des Literarischen als wissenschaftliche Möglichkeit. Seit dem 16. Jahrhundert üben die Wissenschaften sich in dieser Verachtung. Monopolisieren die Produktion von Wissen. Wären John Updikes „Rabbit Novels“ gelesen worden. Gelesen als forschender Vorgang. The „Grapes of Wrath“ scheinen mir immer noch relevant. Alle Romane von Faulkner, Hemingway. Und wer Faulkners „The Wild Palms“ und Joan Didions „Play it as it lays“ gelesen hat, kann nie wieder Abtreibung verbieten wollen. Lebenswirklichkeiten können nur in Romanen wiedergegeben werden. Und es ist ja dieser Wunsch, im eigenen Roman vorgekommen zu sein, der die Nicht-Beschriebenen bewegt. Wäre Literatur nicht so endgültig in den Bereich der Unterhaltung verbannt worden. Es könnte etwas über die Trump Anhänger gewusst worden sein. Weil die Geschichte Subalterner immer nur in Einzelgeschichten erzählbar ist. Aber das würde ja ohnehin schon eine andere Politik vorausgesetzt haben. Eine ganz andere Kultur.

Große Gruppen von Personen, die sich nicht anerkannt finden, sind in Alarmbereitschaft. In den USA nährt Donald J. Trump seinen persönlichen Narzissmus in aller Öffentlichkeit mit der Vernutzung dieser Alarmbereitschaft. Aus der Geschichte wissen wir, dass subalterne Gruppen immer von ihren Führungen um den Sieg betrogen werden. Bis das aber entschieden ist? Werden es die nächsten Wahlen in den USA sein? Wird dieser Konflikt sich hinziehen? Und wann werden die Wissenschaften in der Lage sein, Geschichte schreiben zu können, die geschichtlich relevant ist? Bei Antonio Gramsci finden sich Anleitungen dafür. Was sich bei Gramsci nicht findet, das ist die Beschreibung, wie grausam das Patriarchale ist. Was es bedeutet, wenn wieder das So eines Geboren Seins über das Schicksal entscheiden soll. Wie dieses Patriarchale sorgsam die Vernachlässigung weiter Schichten organsiert, um diese Schichten im Krieg um die Erhaltung der Macht in eben diesem Systems vernutzen zu können. Wie tödlich das Patriarchale für die ist, die es bilden. Wie auslöschend für die, die gerade deswegen nicht dazugezählt werden, weil sie es bilden. Wie siegreich für die wenigen, die sich in die Hierarchien retten können. Wie Gewalt die anerkannte Sprache bleibt. Wie Revolutionen immer schon der Nutzen der Hegemonie sind. Wie die Hausvaternschaft im Privaten den Machterhalt im Großen bezweckt. Wie so ein Privileg männlicher Geburt alle Lebendigkeit verhindert, weil der Männerkörper für den Kampf geschult, immer schon in seinem Tod leben muss. Wie lange wird es noch dauern, bis Gleicheit unter Männern möglich sein wird? Anders, aber nicht unähnlich geht es in den USA wie bei uns genau darum. Wann werden Männer demokratiefähig geworden sein.

[1] Trumps erster Auftritt nach der Verurteilung durch eine New Yorker Jury am 31. Mai 2024  in Phoenix, Arizona.