Werk.

25.10.2024 · Vortrag.

Was Vertrauen ist.

25.10.2024
www.globart.at

Eröffnungsvortrag „Tage der Transformation“ im Stift Melk 25.10.-28.10.2024

Gestern. Als wüsste er, womit ich mich beschäftige, reicht mir der ältere Mann gleich im Durchgang unter dem Gefängnisturm in Bern eine Einladung. Ich habe gerade über den Bundesplatz auf das Schweizer Bundeshaus hinübergeschaut. Das Berner Bundeshaus ist aus Berner Sandstein gebaut. Berner Sandstein hat eine grünlichgraue Färbung. Fast alle Gebäude der Berner Innenstadt sind aus diesem Material gebaut. Für mich. Es braucht sehr viel Sonnenlicht die morose Wirkung dieses Farbtons abzuschwächen. Aber Bern. So. Diese Stadt ist einfärbig. Eindeutig. Geschlossen.

„Wem kann man heute noch vertrauen?“ steht auf der Einladung. In der „Stiftung Missionswerk“ könnte ich dazu die Antwort bekommen. In der Bibel . So wird mir versichert. In der Bibel fände sich die absolute Zuverlässigkeit in den Worten Jesu und dazu wird das Zitat abgedruckt: „Wer an mich glaubt, der hat ewiges Leben“ (Johannes 6,47). Ich gehe weiter. Es beginnt wieder zu regnen. Grüngrauregengrau. Und. Es sind Männerhände, die auf dem Bild zu dieser Einladung das Vertrauen symbolisieren sollen. In einer Klettersituation sichert eine Männerhand die andere ab. Unbedingtes Vertrauen soll das darstellen.

Nun. Was Vertrauen ist, das wissen wir von Anfang an. Was Vertrauen ist, das sollten wir von Anfang an wissen. Was Vertrauen ist, das müssen wir von Anfang an wissen. Kein Vertrauen entwickeln zu können? In Ungewissheit existieren zu müssen? Im Unvertrauen gibt es kein Leben.

Und. Zu vertrauen. Das Vertrauen. Das Wort „Vertrauen“. Das ist eine jener Verbsubstantivierungen, die die Komplexität der im Verb ausgedrückten Handlungen in den Singular des Abstraktums zusammenpressen. Bei Vertrauen. Die je eigenen und komplexen Vorgänge der einzelnen Vertrauenserfahrungen werden in den Singular des Abstraktums zusammengefasst. Wir werden darauf noch zu sprechen kommen.

Also. Im Unvertrauen gibt es kein Leben. Vom allerersten Anfang des Lebens einer Person muss diese je werdende Person lernen können. Erfahren können. Sich darauf verlassen können. Dass alles unternommen wird, für dieses Leben je zu sorgen und das Wohlbehagen solcher Sicherheit zu gewährleisten. Vertrauen. Von Anfang an sind wir auf die Einhaltung eines Verhaltens angewiesen, aus dem Vertrauen entwickelt werden kann.  Der Vorgang, auf den wir mit Vertrauen reagieren können sollen, ist jenes, wiederum je eigene Handlungssprechen des Liebens der uns versorgenden Personen. So. Wir sind darauf angewiesen, von den uns betreuenden Personen in die Welt geliebt zu werden, um Vertrauen zu erlernen.  Vertrauen ist so das Ergebnis eines GeliebtWerdens. Vertrauen wird hergestellt. Vertrauen ist gemacht. Vertrauen entsteht als Antwort auf dieses GeliebtWerden. Vertrauen ist selbstverständlicher Bestandteil und damit Voraussetzung eines LebenKönnens. Überhaupt.

Die Art und Weise, wie jede einzelne Person welches Vertrauen und damit welches Leben dann erlernen kann. Diese Art und Weise wird von Person zu Person anders aussehen. Es wird die Kunst des jeweiligen Liebens dieser zu liebenden Person in deren allerersten Zeit gewesen sein, die die Art und Weise des Vertrauens festlegt. Und damit alle Möglichkeiten des zu lebenden Lebens mitbestimmen. Und. Das Aufziehen jedes Kinds ist ein je eigenes und besonderes Kunstwerk nicht normativierbaren Charakters. Lieben. Das ist wie Vertrauen die Konstruktion des substantivierten Verbs. Zu lieben. Zu vertrauen. Vom immer besonderen Vorgang. Kein Lieben. Kein Vertrauen gleicht einem anderen. Und. Die, in den Verben ausgedrückten Handlungen haben körperlichen Ausdruck. Wir wissen, was es heißt zu lieben. Zu vertrauen. Im Wissen dieser Körperlichkeit können wir uns über diese Vorgänge verständigen. Wir müssen nur sagen. Ich liebe. Ich vertraue. Und wissen alles. Aber. Das ist ein Ahnungswissen. Gefühlt. Gedacht. Entworfen. Gewünscht. Verneint. Erhofft.

Wir können voneinander nur vermuten, dass die andere Person auch so empfindet. Wie schwierig das ist, schlägt sich statistisch nieder. Krankheitsstatistiken. Schulversagensstatistiken. Studienabbruchsstatistiken. Scheidungsstatistiken. Lebenserwartungsstatistiken. Todesursachenstatistiken. Dennoch. Dieses Ahnungswissen verbindet uns in gewisser Weise. Wir sind ja kulturell angeleitet, vom Allgemeinen auf das Besondere zu schließen. Wir sprechen also im Abstraktum, wenn wir von Vertrauen oder Lieben sprechen. Wir sprechen dann allerdings auch im Abstraktum mit den Personen, auf die wir diese komplexen Sinnbereiche anwenden wollen. Dass wir einander darin oft nicht verstehen können. Das liegt zum Einen an den je besonderen jeweils eigenen Geschichten, die wir nicht reflektieren, weil wir uns im Abstraktum aufgehoben fühlen. Das liegt aber dann auch in der Konstruktion selbst begründet, in der wir vertrauen und lieben lernen. Das ist sorgfältig in die Umstände eingebaut, in denen wir uns beim Geben und Nehmen dieser Sinneinheiten vorfinden.

Zunächst. Es wird also an der Kunst dieses Liebens gelegen haben und wie sich dieses Lieben in GeliebtWerden ausdrücken kann. Es ist wieder die unglaubliche Komplexität des Handlungssprechens von Lieben als Geschenk an die zu liebende Person und die wiederum mindestens ebenso komplexe Annahme des Geschenks im sich LiebenLassen als geliebte Person, die in diesen schmalen Verben aufgehoben werden. Zu lieben. Zu vertrauen. Aber. Schenken wir Vertrauen? Lehren wir Vertrauen? Bringen wir Vertrauen bei? Haben wir Vertrauen von vorneherein und Vertrauen wäre dann Natur? Und definieren wir mit dem Ausmaß eines solchen Schenkens oder Lehrens oder Beibringens oder Habens das Ausmaß des Misstrauens, das eine Person dann ins Leben mitzunehmen hat? Denn eines können wir feststellen. Diese allererste Zeit legt die Person in ihren Möglichkeiten für alle Zeiten fest. Ob primitiver Trieb oder soziale Bestimmung oder die Zusammenführung davon. Darin, wie diese allererste Zeit vor sich gehen kann. Unter welchen Umständen. Und da sind die je politisch-wirtschaftlichen Umstände mitgemeint. Die soziokulturellen Umstände. Die persönlichen Ausformungen davon. Unter welchen Umständen also die versorgenden, also liebenden Personen dieser Liebe nachgehen können. Unter welchen Umständen nun schon wiederum diese versorgenden, also liebenden Personen ihre allererste Zeit selbst zugebracht haben. In kompliziertester Weise verflechten sich alle diese Lebenswirklichkeiten ineinander und ergeben dann wiederum immer nur dieses eine, jeweilige Leben. Und nur dieses eine Leben jeweils. Darin ist jede Person besonders. Eine Vorstellung von Besonderheit könnte das sein, die jedem Leben zugesprochen, eine Gleichheit ganz anderer Art begründete, wenn die Gewordenheit der Person die selbstverständliche Beschreibung der Person überhaupt darstellte. Und die Person eben nicht an einer Normbeschreibung gemessen in einen hierarchischen Vergleich gebracht, es nie zu einer Vollendung bringen kann.

So, wie es uns einmal am Beispiel von Jesus beigebracht wurde, dem es niemand gleichtun konnte. Damit sind wir gleich bei der Geschwisterrivalität als Instrument der Herrschaft angelangt. In diesem Beispiel ist es dann die Unterdrückung der bösen Gefühle diesem Jesus gegenüber, der immer alles richtig macht und eine sich so unzulänglich fühlen ließ. Der als Sohn Gottes großspurig das ewige Leben anbieten kann. Der schon auserwählt auftritt. Es war. Jedenfalls damals. Es war dann die Überwindung dieser Geschwisterrivaltiät in der Selbstaufgabe in die Liebe Gottes, die als Zurichtung in die Unterwerfung fungierte. Es war die Erzählung von der unverbrüchlichen Liebe Gottes zu uns, die uns in jenes Vertrauen führen sollte, das dann wiederum als der Glaube nun abermals in die Substantivierung eines Tuns als Abstraktum führte.

Die Einladung, die ich unter dem Käfigturm genannten, ehemaligen Gefängnis mitten in Bern überreicht bekam. Diese Einladung greift weiterhin auf die Transformation des Kosmos der Pflege als jenen Disziplinierungsraum vermittels der Religion zurück, der die Person anleitet, den realen Kosmos der Pflege für höhere Anordnungen hinter sich zu lassen. Die irdische Liebe soll gegen die göttliche eingetauscht werden. Auch das ist Hierarchisierung und selbstverständliche Abwertung des Irdischen, das ja keine Ewigkeit anzubieten hat. Ja. In dieser Transformation errichtet sich noch einmal ein besonderer Kosmos der Pflege nun der Seele. Ein Kosmos des Glaubens ist das dann aber, in dem das Lieben als handlungsstiftende Pflicht auftritt und dem Erwerb einer Belohnung dient. Bei Erfüllung der Bedingungen gibt es das ewige Leben als Belohnung. Dieser Gott. Alle diese Götter. Als primitive Vaterinstanzen regieren sie natürlich per Geschwistervergleich. Im Kapitalismus tritt das Geld dann die Nachfolge solchen Regierens an und die Unterhaltungsindustrie erhält sich durch die Vernutzung dieses Prinzips und erhält damit in aller Selbstverständlichkeit das Patriarchale weiterhin.

Der Wahlkampf Donald Trumps stellt auch nichts anderes dar, als den Kampf um die Anerkennung, der Beste zu sein. Mittlerweile bezeichnet Trump sich ja selbst in Superlativen und erhebt sich zum ersten der Söhne. Er führt den Tanz der ödipalen Gruppe vor, die die Vaterinstanz aufgegeben hat, um alle Überschreitungen straflos begehen zu können. Trump führt damit vor, wie es ist, den Vertrauensverlust in die Eliten zu benutzen, sich im Kosmos des Öffentlichen gegen den Kosmos des Öffentlichen zu stellen und über kollektives Misstrauen alle Regeln aufzusagen. Als Führer einer solchen Gruppe übernimmt er nicht Verantwortung, sondern kann als Erster der Söhne in dauerndem Widerstand die Gruppe führen. Mit der Übernahme von Verantwortung würde es ja Vertrauensbildung brauchen.

Aber gleichgültig wie die Herrschaftsform aussieht. Herrschen wird durch Normbeschreibungen erreicht, wie eine Person sein soll. „So“ soll einer oder eine sein. In diesem „So“ liegt dann die ganze Welt in die gewollte Angeordnetheit eingefärbt vor. Und. Die Besonderheit jeder Person wird an die Norm des jeweiligen „So“ angepasst. Die Gewordenheit der Person wird gegen die Kataloge der Zielvorstellungen all der Institutionen gehalten, die das Werden und Sein der Person bedingen. Und. Diese Gewordenheit wird eben nicht als Kunstwerk angesehen werden, sondern als Mängelkatalog, der Maßnahmen in Erziehung, Bildung und Beruf nach sich zieht. Und. Ein Liebesbegriff der Erwartung wird etabliert. Das Patriarchale will das Lieben belohnt sehen. Das Lieben der allerersten Zeit allerdings. Jenes Lieben, das das LebenWollen der Person zum Ziel hat. Dieses Lieben im Kosmos der Pflege. Das ist ein erwartungsloses Lieben, von dem wir mittlerweile doch annehmen, dass die jeweilige Person, also das Kind. Dass die jeweilige Person ein Recht auf diese Erwartungslosigkeit hat. So weit reicht die Säkularisierung unserer Lebenswelten nun doch. Aber ist es damit getan? Und bedeutet das, dass es nur eines selbstverständlich freundlichen Lebensbeginns bedarf, Vertrauen so zu vermitteln, dass die Person dann andere vollkommen als andere wahrnehmen kann und nicht mit Misstrauen die andere Person abwehren muss, weil die vielleicht in den patriarchalen Geschwisterhierarchien größere Vorteile hat. Weil die eigene Benachteiligung vermutet wird?

Misstrauen vermutet ja. Misstrauen hat Erfahrung. Nicht Wissen. Misstrauen vergleicht. Misstrauen misst ab. Misstrauen hat Angst. Misstrauen ist Angst. Angst um sich selbst. Darum geht es ja beim Misstrauen. Das Fehlen von Vertrauen wird in die andere Person projiziert und aufgrund dieser Projektion der Vergleich gemacht. Wir werden so konstruiert, dass wir in Affekten sofort in diesen Vergleich fallen können. Weil wir das alles so früh lernen müssen. Es geht immer gleich um Leben und Tod. Das ist für die allererste Zeit im Leben einer Person lebenswichtig. Aber. Diese Fragilität bleibt uns in der Stärke der Affekte erhalten. Es geht dann gleich ums Überleben und alle Mittel werden aufgerufen, die das gewährleisten können, wenn das Misstrauen aufspringt. Und. In der Gewordenheit einer Person. Wie das Vertrauen erlernt, gegeben und erworben wird. Das Misstrauen. Die Sinneinheiten, die Misstrauen bedingen, auslösen und abfordern. Denn. Zu den Erfahrungen der Person fügen sich alle jene Erbschaften hinzu, die wiederum die versorgenden, also liebenden Personen weitergeben. Vorsprachlich und handlungssprechend und versprachlicht werden diese Erbschaften übergeben. Wie ein Kind gehalten wird, erzählt dem Kind die gesamte Vorgeschichte der haltenden Person.

Aber. Untersuchen wir einmal den Raum, in dem Vertrauen und Misstrauen erworben werden. Der Kosmos der Pflege. Das ist jener Bereich, in dem wir unser Leben leben. Das ist jener Bereich, aus dem wir hinausgehen, um im Kosmos des Öffentlichen „unseren Mann“ zu stehen. Oder zu stellen. Wir leben immer noch in den Militarisierungsabsichten der frühen Aufklärung. So. Wie wir immer noch in der Abtrennung der Welt in das, was öffentlich genannt wird. Und das, was privat gehalten werden soll. Die scharfe Trennung in diese beiden Bereiche, die seit der Kundmachung des Erlass des kaiserlichen Patents 946 als „Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten Deutschen Erbländer der Österreichischen Monarchie (am) 1. Junius 1811“ für eben die deutschen Erbländer galt. Cisleithanien. Das betrifft unsere Geschichte hier. Das wird in anderen Umgebungen einen anderen Verlauf genommen haben. Wie alle diese Sinneinheiten und Motive immer aus den örtlichen Umständen zu erklären sind und ein Universalismus darin zu kolonialisierenden Auslegungen führen kann. Auslegungen, die mit eine Begründung für Misstrauen darin sein müssen, als die so unter eine Beschreibung versammelten Personen sich ihrer eigenen Geschichte beraubt sehen. Jedenfalls sich in den universalistisch angelegten geisteswissenschaftlichen Beschreibungen ihrer jeweiligen Situation nicht finden können.

Aber der Kosmos der Pflege. Die hiesige Geschichte davon. Die im ABGB seit 1811 so scharfe Trennung der Welt in einen privaten, dem Haushaltsvorstand unterworfenen Ort der Kleinfamilie und die Welt außerhalb, in der der Staat stattfand und der wiederum scharf ständisch eingeteilt war. Diese scharfen Trennungen liegen formal nicht mehr vor. Weder der Adel noch der Haushaltsvorstand haben noch eine rechtliche Begründung. Im Gegenteil. Das Adelsaufhebungsgesetz vom 3. April 1919 und die Familienrechtsreform 1975.

Die Männlichkeitskonstruktionen aus diesen Gesetzen wurden abgeschafft. Die Familie wurde der demokratisch republikanischen Staatsform folgend demokratisch republikanisch gedacht. Das Private hätte das spiegeln können. Hätte das spiegeln sollen. Wenn…

Denn damit sind wir beim Kulturellen angelangt. Beim Kulturellen insgesamt. Und kulturell insgesamt. Nichts. Kein Gedanke. Kein Lehrsatz. In der Wissenschaft nicht. In der Kultur nicht. In den Künsten nicht genug. In der Wirtschaft nicht. In der Politik schon gar nicht. Nie wurde der Kosmos der Pflege auch nur erinnert. Es ist patriarchales Grundgesetz das eigene Werden und den Ort davon als Kindheit abzutrennen. Kindheit. Das wird zu einem herzig, unwürdigen Ort umgedacht. Ein Ort ist das dann, der nicht mehr betretbar ist. Der nicht erinnerbar wird. Jene Welt, in der die Person entstand. Entstehen gelassen wurde. Geliebt. Mehr oder weniger. Vertrauen in die Welt fassend. Mehr oder weniger. Alle Möglichkeiten aller Zukunft der Person grundierend. In diesen Raum wird nur noch in Begleitung gegangen. Priester sind solche Begleiter. Therapeut*innen. Der fehlende Siegeszug der Psychoanalyse erzählt uns von diesem kulturellen Betretungsverbot, mit dem sich das Patriarchale erhält. Der Kosmos der Pflege wird als unerinnerbaren Wolke zum Versinken gebracht. Dazu dient ja der lange Prozess der Entliebung der Person aus der Obhut des Kosmos der Pflege in den Kosmos des Öffentlichen. Kindergarten. Schule. Bildung. Militär. Berufsausbildung. Religion. Und immer ist die Unterhaltungsindustrie daran beteiligt. Die Person wird in der Entfremdung vom Kosmos der Pflege sich selbst entfremdet.

Und kulturell. Und politisch. Demokratiepolitisch. In der Minderachtung des Kosmos der Pflege. Und diese Minderachtung hat weitgehende Konsequenzen wie etwa die sinkenden Geburtenziffern. Mit dieser Minderachtung wird Subalternität hergestellt. Wir müssen uns nicht mehr fragen, ob diese Subalternität die Frauen betrifft und die Männer verschont. Jede Person, sobald sie sich im Kosmos der Pflege betätigt, muss sich selbst als subaltern einstufen. Diese Subalternität kann nicht mehr durch ein Geschlecht beschrieben werden, wie das noch in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts möglich war. Aber da waren die Frauen noch vom AGBG regiert. Ab 1975 sind sie rechtlich zu gleichen gemacht. In der kulturell geprägten Lebenswelt ist das nicht der Fall. Trotzdem sind die Frauen andere geworden. Die Männer seit damals dagegen nicht so sehr. Aber diese scharfe Trennungslinie zwischen den beiden Kosmen geht nun durch alle Personen selbst hindurch. Die work-life-balance wäre da ein Instrument, diese Linie entlang die Anteile der jeweiligen Person zu beschreiben, die sie dem Kosmos der Pflege widmet und wieviel für den Kosmos des Öffentlichen übrig gelassen bleibt. Eine solche Beschreibung muss linear ungenügend sein, und es könnte nur ein ungefähres Verhältnis zur Vorschein kommen. Aber. Diese innere Nicht-Anordnung. Die Nachreihung des Kosmos der Pflege läßt jede Person wissen, dass sie eigentlich ihre Kräfte dem Kosmos des Öffentlichen zu leihen hat. Auch das noch die vorgesehene Durchmilitarisierung des Staatsbürgers der Aufklärung.

Wenn nun eine Person sich dem Kosmos der Pflege widmen wollte. Und der Trend der trad wives trifft sich mit allen rechten Vorstellungen von vormodernem Rollenverhalten. Aus dem Blickwinkel eines soziokulturellen Linksliberalismus akademischer Mittelschichten schaut das armselig aus. Die Abwertung des Kosmos der Pflege kann ja von allen Seiten betrieben werden. Die rechten, postliberalen Vorstellungen von den guten alten klaren Geschlechterrollen sind aber nun ganz sicher auch keine Aufwertung des Kosmos der Pflege. Es ginge darum, das Wort Zuwendung in die unendlich vielen Handlungen, Gesten, Zurufe, Seufzer, Geflüstere, Umarmungen und Teekochen zu zerlegen und nie wieder den Singular eines solchen Abstraktums zuzulassen. Diese Singulare des Liebens, Vertrauens, Trauern und Misstrauens. Mit einer grammatikalischen Bewegung werden Wirklichkeiten hinweggewischt und durch ideologisierte Vorstellungen ersetzt. Die liebende Person kann dann gar nicht mehr erkennen, dass es Lieben ist, was sie da tut. Sie ist angehalten zu diesem Begriff aufzuschauen und nie auf sich zu beziehen. Das hat für uns das Katholische so schön spezifisch hergestellt. Die Auswirkungen dieser Sprachpolitik sind allumfassend. Eine Sprachpolitik ist so entstanden, die nicht erlaubt, einen Plural dieser Abstrakta zu formen und so eine Vielgestaltigkeit des Wortinhalts vorstellbar zu machen. Allwissend will solches Sprechen sein. Und. Allwissend trägt ein Allbestimmendes schon in sich.

Aber betrachten wir die Konstruktionen genau, in denen das Vertrauen erworben werden soll. Mit dem AGBG war der Haushaltsvorstand Herrscher über die anderen Familienmitglieder. Wenn also die Mutter das Vertrauen herstellen wollte, so hatte sie gar nicht die Macht dazu. Sie selbst brauchte ja Vertrauen in den Haushaltsvorstand, ihr Überleben nicht gefährdet zu sehen. Das Vertrauen, das die Personen in einer solche Haushaltskonstellation herstellen konnten, war sekundär und abgeleitet. Erst das Wort des Vaters hatte im Haus Geltung. Außerhalb des Hauses war nun der Vater selbst subaltern als Untertan. Auch der Aristokrat war auf den Kaiser bezogen, dessen Wort die einzige Gültigkeit hatte. Alles unter ihm war verliehen oder geborgt. Delegiert. Ein Vertrauen muss das gewesen sein, dass alle im Staat umfangen sollte. In Cisleithanien war die Vermittlung dieses Vertrauens weitgehend an die katholische Kirche übertragen gewesen. Kein Wunder, dass mit dem Tod Kaiser Franz Josephs ganze Generationen in tiefe Depression verfielen. Im vollen Sinn war ihr Vertrauensgewährsmann ohne Ersatz dahin gegangen. In jedem Leben eine anders ausgetragene Tragödie. Aber. Das Vertrauen damals. – Ich glaube, ich habe dieses Gottvertrauen noch in einer meiner Großmütter kennengelernt.- Das war ein vollkommen anderes Vertrauen. Kollektiv. Gläubig. Ja, kindlich in der Nachstellung des christlichen Bilds vom Vater und den Kindern, die zu ihm kommen sollten. Oder im Bild vom Hirten und seinen Herdentieren.

Haben wir nun ein Vertrauen zu Verfügung, das als Grundlage einer soziopolitischen Autonomie fungieren könnte. Ein Vertrauen, dass uns in die Lage versetzt, die andere Person ohne die eingeprägten, Misstrauen stiftenden Affekte sehen zu können. Formal wären wir dazu in die Lage versetzt. Alle Gesetze ermöglichten das und wir hätten das in den 80er Jahren erproben sollen. Aber. Im Kulturellen. Es wurden die Privilegien des Haushaltsvorstands und des Aristokraten im Kosmos des Öffentlichen weitergeführt. Diskret so. Aber. Selbstverständlichkeiten wurden belassen. Territorien wurden trotzig zerstört oder verlassen. „Ihr habt es so gewollt.“ wurde da zu den auf Gleichwertigkeit bestehenden Frauen gesagt. Institutionen wurde geschwächt oder abgeschafft, keinen Wirkungsraum frei zu lassen. Für Die.  In einem sehr territorialen Verfahren. Wir könnten auch Krieg dazu sagen. Und dieser Krieg ist darin gewonnen worden, dass nun etwa 30 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sich nun wieder in Nachahmung dieser hegemonialen Trotzhaltung der 80er Jahre ausschließen. Sich ausgeschlossen halten wollen und im Misstrauen dieser Gesellschaft gegenüber leben. Denn. In gewisser Weise. Das Vertrauen, das eine Person im Kosmos der Pflege herstellt. Herstellen will. Heute. Dieses Vertrauen ist weiterhin sekundär und abgeleitet. In der Verachtung des Kosmos der Pflege. Die Hausvaternschaft ist nur noch in ihrer Verächtlichkeit allem Weiblich-Pfleglichen im kulturellen So unseres Gesellschaftlichen erhalten. Wie Hegemonien sich immer bemühen, ihre Pflichten abzugeben und ihre Privilegien auszubauen. Das aber. Das heißt, dass wir nichts über ein demokratisches Vertrauen wissen. Dass wir ein solches Vertrauen nicht kennen. Und dass als Folge davon, Misstrauen eine grundlegende gesellschaftliche Bewegung sein muss. Personen, denen die Mitbestimmung verweigert wird. Und darum wäre es bei der Gleichberechtigung der Frauen und Minderheiten einmal gegangen. Und. Wenn über Teilprivilegierungen Scheinautonomien hergestellt werden. Wenn also eine höhere Bildung die Person dazu bringt, von ihrem Geschlecht oder ihrer Herkunft absehen zu können und sich eine work-life-balance anzueignen, die den Widerspruch von Kosmos der Pflege und Kosmos des Öffentlichen weitgehend auflöst. Wird dem Kind in dieser Konstellation ein primäres Vertrauen vermittelt werden können? Nein. Denn nur in der Teilhabe aller wäre ein solches Vertrauen herzustellen und dann auch zu haben.

Solche Teilhabe kennen wir nicht. Wir sind Angewiesene. Wir sind in unseren Staatsformen der repräsentativen Demokratie auf die angewiesen, die uns vertreten. Das Vertrauen, das eine Person in ihrem Kind aufbauen wollte. Und wir machen das alle so. Aber ganz zu Ende gedacht, können wir das Vertrauen nicht erfüllen. Ich denke an all die Personen, die in Kriege gezogen werden. Die in Katastrophen Hilfe nicht finden. Unsere eigene Geschichte erzählt das. Wir sind hilflos. Selbst. Wie soll dann diese Person uns nicht schon auch mit Misstrauen begegnen. Es ist die politische Angeordnetheit unserer Existenzen, die dem Misstrauen die Berechtigung erhält.

Und erinnern wir uns. In der Pandemie. Es wurde. Ganz in der Facon der katholischen Predigt. Da spricht der Priester an Gottes statt. Es wurde damals so mit uns gesprochen. Wenn wir die Regeln einhalten, so hieß es, dann wird uns nichts geschehen. Und das stimmte nicht. Das konnte nicht stimmen. Ein Vertrauen als Glaubensform wurde abgefordert und dann starben doch so viele. Es wurden doch so viele krank. Und die auch wieder katholische Vorgangsweise, dass es die Schuld der Personen selbst dann wäre, nicht genug geglaubt zu haben und dass diese Schuldigen nun die Konsequenzen eben selber zu tragen hätten. Dass war klassisches vormodernes Herrschen durch Glaubensverkündigung. Aber es wird nicht mehr so einfach geglaubt und die Vorgangsweise der Regierung damals wies einen ungeheuren Abstand der Eliten von den zu Regierenden aus. Es erwies sich, dass ineinander kein Vertrauen zu setzen war und so. Misstrauen wurde zu einem Identitätsmerkmal wie das Gottvertrauen es für religiöse Personen gewesen war.

Warum wurden die 80er Jahre und die Ruhe darin nicht genutzt, mittels einer breiten Demokratisierung das Vertrauen ineinander durch reale Teilhabe zu stärken? Ansätze dazu waren genügend vorhanden. Heute. Keine Person kann heute einem Kind mehr Vertrauen vermitteln, als die Person selbst zu Verfügung hat. Wir alle sind Abhängige. In kriegerischen Zeiten wie in unseren jetzt ist das offenkundig. Wir sollten schon längst zu sicheren, demokratisch denkend und entscheidenden Personen gemacht worden sein, die sich klug und zum Besten in der Welt bewegen können. Wir sollten in einem Kosmos der Pflege aufgewachsen sein, in dem uns genau solche Personen zu noch größerem Vertrauen und damit noch größerer Sicherheit verhelfen hätten können, weil der Kosmos der Pflege in die Mitte der Gesellschaft gestellt, Vertrauen nicht versprechen sondern geben könnte. Vertrauen könnte so zu einer Wahrheit werden. Die Abwägung von Argumenten wäre dann von all den ererbten und erworbenen Formen des Misstrauens frei. Kluges Handeln. Kluges, die andere Person anerkennendes Handeln ergäbe das. Und. Das ist keine Wehrlosigkeit, wie sie ja dem Kosmos der Pflege so gerne nachgesagt wird. Im Gegenteil. Sichere, demokratisch lebende Personen wären weitaus besser in der Lage, für ihre Sicherheit zu sorgen als von Misstrauen geleitete autoritär vorgehende Personen. Aber damit sind wir wieder bei der Sprache angelangt. Wenn über viele, viele Jahrhunderte mit dem christlichen Gewissen, das Misstrauen gegen sich selbst die Grundlage des Denkens und Fühlens selbst, also der Existenz bildete? Wir werden wohl noch lange an der Säkularisierung unserer Selbst zu arbeiten haben.

In Bern. Der Mann mit den Einladungskarten steht jeden Tag unter dem Käfigturm und verteilt die Frage, „Wem kann man heute noch vertrauen?“ Es nehme nur immer ich eine Karte. Wenn ich sehr positiv gestimmt bin, dann führe ich diese Ablehnung der anderen. Der Mann hält die Karten den Personen entgegen und die winken ab oder gehen aus dem Weg. Ich führe diese Ablehnung darauf zurück, dass die Formulierung lautet, wem man heute noch vertrauen könne. Dieses „man“. Es ist eine altmodische Formel. Wieder sollen alle unter diesem „man“ mitgemeint sein und das wollen so viele nicht mehr. Es wäre schön, dieses Wollen ins Kulturelle aufgenommen zu sehen und damit die notwendige Teilhabe aller in der Sprache zu ermöglichen. Als Anfang. Wenigstens.