25.11.2018 · Texte. Aller Art.
Niedergang durch Aufstieg.
So funktioniert Emanzipation. Die Sozialdemokraten initiierten in Europa eine Bildungsexplosion. Die daher Gebildeten wurden selbstbestimmter. Damit waren sie nicht mehr an die auferlegte Kollektividentität Arbeiterklasse gebunden. Das ist dann Freiheit. Oder der Beginn davon. Das kollektive Schicksal Arbeiterklasse war nicht mehr automatisch mit der kollektiven Identität Arbeiter verschmolzen.
Wenn dann die Politik der Sozialdemokratien ohnehin der Logik der Verwirtschaftlichung nachgibt und sich dabei auch nicht mehr dem kollektiven Klassenschicksal verpflichtet fühlt. Wenn die Zwänge eines Dienstleistungsarbeitsmarkts ohnehin nur noch persönlich beantwortet werden können. Wenn es nicht gelingt, das Kollektive an den veränderten Schicksalen differenziert anzusprechen. Dann werden die Angebote eindeutigerer Identitäten verführerisch.
Mit dem Angebot reaktionärer Geschlechterstereotypien versprechen die Rechten die Erlösung aus dem Identitätsproblem. Dieses Angebot ist chauvinistisch. Das kann es in der Nachfolge des linken Chauvinismus gut sein. Die Rechten machen da weiter wo die Linken aufgehört haben.
Den Frauen wurde Selbstvorsorge und Selbstfürsorge aufgetragen. Das war damals Freiheit. Oder hätte der Beginn davon sein können. Nie aber wurden Frauen kulturell und wirtschaftlich jene gleichen Voraussetzungen eingeräumt, die das Kollektivschicksal Frau überwinden hätte können.
Weiterhin bleibt den Frauen die Liebesarbeit übertragen. Erpresserischerweise folgt daraus die geringere Lebensarbeitszeit. Mit der so viel schlechteren Bezahlung für die gleiche Arbeit ergibt das die empörende Altersarmut von Frauen.
Feminismen. Das wäre zu links, war gerade noch aus dem Wiener Rathaus zu hören. Na gut. Wenn die Frage einer Basispension für alle den Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen zu links ist. Warum fusioniert die SPÖ dann nicht einfach mit den christlichsozialen Teilen der ÖVP. Die übrigbleibende ÖVP wäre dann als Partei des Neoliberalismus klar erkennbar. Vielleicht sollten sie gleich mit den NEOS zusammengehen und es der Industrie damit leicht machen. Und. Am linken Rand wäre Platz für eine linke Partei. Die soll sich dann zuerst einmal um die Regelung der Arbeitsverhältnisse und der Sozialgesetzgebung in Europa kümmern. Die kann sich des Klimawandels annehmen und muß nicht die eigenen Interessen gegen die Interessen der Wirtschaft aufgeben. Die von der sozialdemokratischen Bildunsreform gebildeten Personen sind ja durchaus in der Lage von altmodischen Eindeutigkeiten abzusehen. Identität bezöge sich aus der Freiheit, die erobert wurde. Von den Frauen könnte gelernt werden, wie es gehen kann, ein Kollektivschicksal zu reformieren ohne gleich eine Kollektividentität verschreiben zu müssen. Die Frauen waren ja immer schon angehalten, ihre Identität individualistisch zu gestalten. Für Frauen war gesellschaftlicher Aufstieg nie so stigmatisiert wie das eine linke Selbstzensur für „den Arbeiter“ festlegte und den gesellschaftlichen Aufstieg mit dem Verlust der Identität gleichsetzte. So wird nicht mehr gelebt. Jeder und jede muß für sich Entfernung und Nähe zu allen bestimmenden Möglichkeiten in der Gesellschaft finden. Geschlecht ist da nur eine Entscheidung. Das ist das jetzige kollektive Schicksal. Welche Freiheiten können gelebt werden. Oder nicht. Die Politik dafür. Das müssen ohnehin ganz andere, ganz neue Personen machen. Dafür wäre ja die Einsicht in die eigene Situation Voraussetzung. Eine Explosion analytischen Denkens wäre dafür gut. Das ergäbe wieder Freiheit und den Verlust des Problems. Wir könnten das dann Fortschritt nennen.