02.05.2020 · Texte. Aller Art.
Weinheber.
Im Zuge der Intervention „Weinheber ausgehoben“ verfasste Marlene Streeruwitz einen Text, der bei der Eröffnung des umgestalteten Denkmals am Schillerplatz am 07.60.2019 gelesen wird.
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„Wir erleben den Tod als die Verklärung des Seins.“[1] In diesem Satz aus dem Prolog zum 75 jährigen Jubiläum der Wiener Staatsoper am 23. Mai 1944 legt uns Josef Weinheber die Kernthese der politisch theologischen Repräsentation des Nationalsozialismus vor. Der Tod, so sagt uns dieser Satz. Der Tod ist reine Repräsentation. Das Leben erklärt sich durch den Tod. Verklärt sich in den Tod. Ist im Tod dargestellt. Und wenn es der eigene Tod wäre, der erlebbar wäre, die Verklärung wäre uns einfache Säkularisierung idealistisch christlicher Paradiesansprüche. Der Tod aber, der erlebt werden kann und der in Verklärung gewendet erfahren wird. Dieser Tod ist immer der Tod der anderen. Wir wissen heute, wie viele Tode als Verklärung des Seins erlebt worden waren. Wir wissen heute sehr genau, wie die Toten, die diese Tode erlebbar machen hatten müssen. Wie diese Toten durch Verbrennen beseitigt wurden, um der Verklärung nicht im Wege zu liegen. Der Autor dieses Satzes. Ein Satz ist das, der den Tod der anderen zur Erfüllung einer Auferstehungsvorstellung in die politisch theologische Repräsentation rassistischen Weltbeherrschungswahns in Besitz nimmt. Ein Satz ist das, der sich den Tod der anderen nimmt. Der Autor dieses Satzes. Er raubt in priesterlicher Verkündigungsweise den anderen ihren Tod. Wiederum ist das Repräsentation. Er fügt die Tode der anderen in die Verklärung jener zusammen, die die Tode der anderen erleben. Die, die töten oder zuschauen dabei. In diesem einen Satz ist die Shoa als heiligende Erfahrung dargestellt. Der Tod der anderen. Wahrscheinlich löste das Vorlesen dieses Satzes 1944 heilige Schauer aus. Dieser eine Satz allein. Alle Greuel und Schandtaten sind in ihm zu einer christologischen Weihe gewendet.
Wenn nun in diesem Satz schon die Shoa und die Kriegsgreuel in Repräsentation gegossen sind. Dann ist jede Erinnerung an den Autor dieses Satzes eine Erinnerung nicht nur an Affirmation, sondern an Heiligung der Verbrechen. Ein Denkmal aus Stein und Metall als selbst Repräsentation des Autors und damit wiederum Repräsentation der Heiligung der Verbrechen der Nationalsozialisten. Ein solches Denkmal ist eine Abomination. Ein solches Denkmal ist dann durch unsere Duldung festgemauerte Repräsentation davon, daß es keinen Konsens gibt, was ein Verbrechen ist und was nicht. Es ist Repräsentation wiederum unserer Schande. Es erzählt hohnvoll davon, daß wir keine Gesellschaftlichkeit kennen. Daß wir Unrecht und Recht nicht unterscheiden können. Daß Schuld und Sühne nicht gekannt werden. Daß Frieden nicht gewollt wird. Daß in der Weitergeltung dieses Satzs unser Unglück beschlossen ist. Und ich wollte, wir müßten nicht vor einem solchen Denkmal stehen. Und müßten das nie wieder.
[1] Prolog zum 75 jährigen Jubiläum der Staatsoper. 23. Mai 1944